Berlin – Mekka des Laufsports

Der Berliner Halbmarathon 2018
Wer glaubt ein Halbmarathon sei mit seinen 21.1 Kilometer immer gleich, der irrt. Richtig ist, dass der Halbmarathon immer 21.1 – oder genauer gesagt 21.0975 Kilometer hat, aber das war’s auch schon. Alles weitere variiert. Wer sich auf diese Distanz wagt und Freude an ihr findet, der kommt um eine Teilnahme am größten deutschen Halbmarathon in Berlin nicht herum.  Berlin ist ein „Must-Have“ für alle Halbmarathonläufer.

Was ist es, das Berlin zu einem so einzigartigen Erlebnis macht? Nun, das ist wie so vieles in dieser Stadt nicht so leicht zu erklären. Berlin ist einfach anders und es sind viele Faktoren, die sich wie ein Mosaik zu einem großen Ganzen zusammensetzten und mich jedes Jahr wieder staunen lassen.

Berlin ist eine sehr lauffreundliche Stadt mit zahlreichen großen Laufveranstaltungen. Dazu zählen unter vielen anderen der Halbmarathon, der alljährlich Anfang April die Laufsaison eröffnet und Deutschlands größte Marathonveranstaltung der Berlin-Marathon Ende September.  Keine Laufveranstaltung in Deutschland ist mit diesen beiden vergleichbar.

Das Abenteuer beginnt…. – Tag 1

Am Freitag rolle ich also mit dem ICE aus Frankfurt kommend in Berlin ein. Ich entscheide mich, nicht am Hauptbahnhof auszusteigen sondern bis zum Ostbahnhof durchzufahren. Es ist etwa 18:40 Uhr und die Sonne strahlt noch vom Himmel. Ganz Berlin tummelt sich auf den Straßen, in den Biergärten, auf den Liegewiesen oder entlang der Spree und genießt den ersten warmen Tag des Jahres. Wir überlegen kurz, uns auch irgendwo ans Ufer zu pflanzen und die Seele ein bisschen baumeln zu lassen, entscheiden uns dann aber doch das Vorhaben „Abholung der Startunterlagen“ wie geplant schon heute durchzuführen. Was wir haben, haben wir. Wir fahren zum alten Zentralflughafen Tempelhof, in dem alljährlich die Sportartikelmesse „Berlin Vital“ stattfindet um dort unsere Startnummern abzuholen. Der Eintritt ist für alle Besucher kostenfrei. Gleich zu Anfang werden die Besucher in „Teilnehmer“ und „Nicht-Teilnehmer“  gruppiert. Die Teilnehmer müssen ihren „Startpass“ und den Personalausweis vorzeigen. Erst dann gibt es das grün-gelb-weiße Armbändchen, das uns als teilnehmende Halbmarathon-Läufer akkreditiert. Wir arbeiten uns durch die vielen Messestände und gelangen zum Eingang der Startnummernausgabe. Armbändchen vorzeigen und ab zum Schalter. Dort wird der Barcode unseres Startpass gescannt und abermals mit den Daten auf unserem Personalausweise abgeglichen. Halleluja, das wir hier keinen Fingerabdruck hinterlassen müssen ist aber auch alles.  Jetzt wird die Startnummer frisch gedruckt und der Chip nochmals auf Tauglichkeit überprüft. Das war’s.

Es ist dieses Jahr meine vierte Teilnahme am Berliner Halbmarathon und ich bin wie immer in großer Vorfreude. Obwohl ich erst vor vier Wochen in Frankfurt den Halbmarathon mit einer 2:08 gelaufen bin, habe ich keine Ahnung wo ich im Moment mit meiner Leistungsfähigkeit stehe. Nach dem Testzehner vor zwei Wochen ist eine Zeit zwischen 2:03 und 2:06 realistisch. Eine 1:59 wäre reines Wunschdenken, also verbanne ich diese Zahl schnell wieder aus meinem Kopf. Ich darf wie jedes Jahr in Berlin aus dem D-Block starten.
Das ist der letzte Block der zweiten Startwelle.  Den D-Block habe ich mir mit meiner persönlichen Bestzeit von 1:54 im Jahre 2012 hart erkämpft. Nie wieder danach bin ich schneller, oder auch nur annähernd unter 2 Stunden gelaufen.

Wir laufen durch die Hangars zurück zum Ausgang. Ich schaue an dem einen oder anderen Stand nochmal nach einer kurzen Hose, denn meine eigene hab ich zuhause vergessen. Immerhin soll es am Sonntag bis zu 20 °C werden. Nix zu finden. Also weiter. Die ¾-Hosen tun es auch. Wir gehen noch zum Italiener einen Teller Pasta essen und machen uns dann bald auf den Weg nach Hause.

Tag 2- Die Stimmung steigt.

Der nächste Tag beginnt ruhig und unspektakulär. So ruhig und unspektakulär, dass es schon fast unheimlich ist. Normalerweise fühlt sich der Tag vorm Halbmarathon immer anders an. Wo ist denn die ganze Spannung hin? Sogar die Startunterlagen haben wir schon….

Heute ist es noch wärmer als gestern und das Einzige was ich nicht habe, sind kurze Hosen für morgen. Weil wir nichts Besseres zu tun haben, begeben wir uns in die Stadt. Genauer gesagt auf den Alexanderplatz  und machen uns auf die Suche nach ein Paar kurzen Laufhosen für Madame. Und das sorgt nun wirklich für Spannung. Zu kurz, zu lang, zu eng, zu weit, der Bund sitzt entweder zu weit oben, oder zu sehr auf der Hüfte, die Naht kneift, das Teil ist zu teuer, bei einer fehlt die Tasche und die andere sieht einfach bescheiden aus. Es ist zum Verzweifeln… Es soll keine kurze Hose für mich geben an diesem Tag. Wir geben das Projekt „Hose“ kurzerhand auf, setzen uns in eine Bar am Fuße des Fernsehturms, bestellen uns jeder ein Getränk und genießen den Sonnenuntergang.

Marathon-Madness

Viele Menschen sitzen an diesem schönen Abend draußen und viele tragen die gleichen grün-gelb-weißen Armbändchen wie wir.  Nachdem die Sonne untergegangen ist bestellen wir uns ein zweites Getränk und nachdem die Kellner alle Heizpilze aufgestellt und in Betrieb genommen haben beschließen wir uns ein drittes Getränk zu gönnen.
Da ist sie wieder, die „Marathon-Madness“. Immer wenn es besser ist die Finger vom Alkohol zu lassen, wird es besonders gemütlich und der Abend fordert dich regelrecht auf das „Hier und Jetzt“ zu genießen. Wir sitzen also bei  unserem dritten Getränk und philosophieren, wie wir es morgen wohl wieder über die Strecke  schaffen werden. „Prost und Hoch die Tassen“…. Eigentlich darf man das gar niemandem erzählen, weil es alles andere als vorbildlich ist. Aber so ist es nun mal. Da trainieren wir uns monatelang in Richtung Halbmarathon. Sonntägliche stundenlange Läufe, wochentags dannTempoläufe und Intervalltraining nach Feierabend, Testwettkämpfe, monatelanger Verzicht auf sämtliche Ernährungssünden, stattdessen generalstabsmäßige Optimierung der Nahrungsaufnahme. Wir nehmen kiloweise an Gewicht ab um „DEN“ perfekten Wettkampf zu laufen, und dann kommt der Vorabend des Rennens und alles wird über den Haufen geworfen. YES, das ist die Marathon-Madness.
Nachdem wir die Antwort auf die Frage, wieviel Minuten uns unsere heutige Sünde morgen auf der Strecke wohl kosten wird nicht finden können, machen wir uns über eine Tüte Pistazien her. Wir überlegen kurz, ob wir nochmal nach Kreuzberg an den Mehringdamm zu „Curry36“ fahren sollen, lassen es dann aber sein. Morgen ist schließlich Halbmarathon… (Oh mein Gott).
Zu unserer Entschuldigung sei noch gesagt, dass wir, bevor wir in die Stadt gefahren sind noch jeder einen ordentlichen Teller Nudeln mit vielen Kohlehydraten zu uns genommen haben. Denn wenigstens bis zu diesem Teller Nudeln lief alles noch nach Plan. Zuhause angekommen gehen wir gleich ins Bett und schlafen direkt ein. Die Nacht wird kurz.

Der Wettkampftag

Wen in Berlin eine Laufveranstaltung stattfindet, so scheint mit 90%iger Sicherheit die Sonne und so ist es auch an diesem Morgen.  Wir werden ohne Wecker wach und haben gefühlt unendlich viel Zeit. Das klassische Prozedere an einem Wettkampfmorgen beginnt. Kaffee kochen, ausreichend Wasser trinken, frühstücken, 5 – 7 Toilettengänge, die Suche nach den Utensilien, die man unbedingt zum Lauf mitnehmen muss, feststellen dass der Plastikbeutel vom Veranstalter viel zu klein ist, die Hälfte wieder auspacken,  weitere 2 – 3 Toilettengänge, nochmal den Beutel aus- und wieder umpacken.
Nur eine Frage stellt sich mir an diesem Morgen nicht… „Welche Hose ziehe ich heute an…?“, denn ich habe nur die eine.
Wir verlassen früh die Wohnung. Es ist noch nicht einmal neun Uhr und das Auto steht heute auch direkt vor der Haustür. Wir fahren los in Richtung Halbmarathon-Start. Vor der Jannowitz-Brücke biegen wir links in die Wallstraße ein, um dort wie jedes Jahr zu parken. Wir müssen wirklich früh dran sein heute Morgen. Normalerweise ist hier schon immer alles zugeparkt.  Nicht so heute. Der komplette Parkstreifen vor dem Märkischen Museum ist frei und wir haben noch Zeit ohne Ende. Langsam laufen wir Richtung Karl-Marx-Allee. Wir begeben uns sofort in den Start/Ziel-Bereich, geben unsere Plastikbeutel an den LKW-Anhängern ab und machen noch ein paar Fotos.

Wir verabschieden uns voneinander, denn Thomas startet in wenigen Minuten aus dem A-Block und muss sich noch warm laufen. Ich hingegen habe mit der zweiten Startwelle noch eine Viertelstunde länger Zeit und gehe lieber nochmal aufs Klo. Aus selbigem komme ich 23 Minuten später wieder raus. Nein, natürlich habe ich keine 23 Minuten auf dem Dixi-Klo zugebracht. Wir sind beim Halbmarathon und ich war für lediglich 3 Minuten auf dem stillen Örtchen. Die restlichen 20 Minuten habe ich in der Schlange vorm Plastikklo gewartet. Der Blick auf die Uhr sagt mir, dass ich noch genügend Zeit habe um mich einzulaufen. Alles im grünen Bereich. Ich laufe ein wenig auf und ab, mache ein paar Steigerungen und ein paar Beweglichkeitsübungen, aktivere die GPS-Funktion an meiner Uhr und trabe langsam Richtung Startblock.

Showtime

Auf dem Weg zum D-Block gehe ich gleich noch mal aufs Klo (ohne Anstehen), sicher ist sicher. Nun wird es Zeit. Es ist 10:15 Uhr und der Block ist proppenvoll. Kein Problem, bleibe ich halt vor dem Block stehen.  Gleich geht es los. Es ist dieser magische Moment in dem die Startmusik „Sirius“ von Alan Parsons Project ertönt, der Block vorn geöffnet wird und der Strom von Läufern sich langsam wie auf Schienen gezogen Richtung Startlinie bewegt. Ich schlüpfe in den Startblock und lasse mich von diesem ganz besonderen Moment in der Masse Richtung Startlinie treiben. Nun geht es schnell. Der Moderator zählt den Countdown runter, der zweite Startschuss an diesem sonnigen Morgen ertönt und wir laufen mit „Good Feeling“ von Flo Rida los.

Ich überquere die Startlinie, starte die Uhr und sofort wird es schnell, sehr schnell. Ja logisch, was denkst du denn. In den letzten Jahren bin ich meistens von hinten, oder zumindest aus dem letzten Drittel gestartet. Das heute ist eine andere Nummer. Ich werde sofort von vielen Läufern überholt, versuche mich davon nicht beeindrucken zu lassen und versuche meinen Rhythmus zu finden, was mir auch ziemlich schnell und erstaunlich gut gelingt.
Die ersten 5K laufe ich konstant in einer 5:38 – 5:42 Pace. Bis  jetzt fühlt sich das echt ganz gut an. Ich überquere die erste Zeitmatte kurz nach der Siegessäule bei  28 Minuten. Hm, bissi schnell für einen Halbmarathon mit angepeilter Zeit von 2:03 bis 2:06. Ich bremse mich also runter und laufe die zweiten 5k in glatten 30 Minuten. Jo, so wird ein Schuh draus.

Ab jetzt kann ich meiner Uhr keine Beachtung mehr schenken, denn es geht gleich auf die zweite Hälfte des Halbmarathons. Nachdem wir schon viele große Sehenswürdigkeiten wie die Humboldbox, das Brandenburger Tor, die Siegessäule, die Straße des 17. Juni und das Charlottenburger Schloss mit unfassbar vielen Zuschauer entlang der Strecke passiert haben, sind wir nun in der Schlossstraße. Hier geht es unter der U-Bahn Kaiserdamm in die Windscheidstraße. Der Durchgang gleicht in diesem Jahr einem Tropendschungel und ist mit grünen, gelben und roten Spots clever ausgeleuchtet.  Dazu zwitschern und zirpen unzählbare tropische Vögel und Insekten aus perfekt positionierten Lautsprechern. Ein unbeschreibliches Gefühl hier durch den Großstadtdschungel zu rennen. Wer hier schon müde ist, wird jetzt wieder hellwach. Es geht weiter. Kurz nach Kilometer 11 biegen wir nach links ab auf den Kudamm.

Halbzeit

Wer glaubt die Berlin-Party ist schon auf ihrem Höhepunkt der irrt, denn jetzt beginnt der Abschnitt des Rennens, der diesen Halbmarathon so besonders macht. Man kommt so langsam zu der Gewissheit, dass ganz Berlin an diesem wunderbaren, warmen Frühlingstag an oder auf der Strecke ist. Dicht an dicht drängen sich die Zuschauer  links und rechts entlang der Strecke, jubeln uns zu, feuern uns an, schreien unsere Vornamen die auf den Startnummern abgedruckt sind. Kinder halten ihre kleinen Hände in die Laufstrecke und wollen abgeklatscht werden. Junge, Alte, Schwarze, Weiße, Araber und Asiaten, Singles, Paare, Familien, Schwule, Lesben, Punker, Hipster und ganz normale Leute so wie Du und ich stehen an der Strecke und feiern gemeinsam mit uns Läufern die Party ihres Lebens, so kommt es mir zumindest vor. Wer nicht an der Strecke steht, der schaut uns aus einem der vielen Altbauten zu und ich wette, es dauert nicht lange, bis auch diese Leute da oben runter auf die Straße kommen. Alle 300 Meter wechselt jetzt das Unterhaltungsprogramm. Auf einen Afrikaner, der sich aus Plastikrohren eine Art Didgeridoo gebastelt hat, folgt eine Jazz-Band mit Trompeter. Rechts von mir ein Spielmannszug, ein paar hundert Meter weiter folgt eine Rockband mit einer wunderschönen brünetten Sängerin im engen schwarzen Kleid und übergroßer Sonnenbrille. Eine Bluesband, die offensichtlich gerade ihr Konzert im dunklen Club beendete, hat kurzerhand ihr Set auf der Straße aufgebaut und spielt in den Klamotten von gestern Abend das Konzert auf der Straße zu Ende. Unvorstellbar,  dass die Herren zwischendrin nochmal zu Hause waren oder gar geschlafen haben.

Bei all der Reizüberflutung komme ich irgendwann zu Kilometer 15, bei dem ich dann auch mal wieder auf die Uhr schaue. Die letzten 5K bin ich wieder konstant in 30 Minuten gelaufen.  Wer hätte das gedacht. Und wie geht es mir sonst so? Naja… es ging mir schon mal besser. Ich merke langsam, dass ich müde werde. Die Konzentration lässt deutlich nach und mein Rhythmus ist auch nicht mehr so flüssig. Es ist warm geworden und ich habe bisher jede Trinkmöglichkeit wahrgenommen. Hier gibt es eine Wasserdusche und die Möglichkeit ein Stück Banane zu essen. Die Wasserdusche spare ich mir, denn dazu ist es mir heute zu windig. Bei der Banane sag ich nicht nein. Mit Bananen habe ich immer gute Erfahrungen gemacht. Ein Plastikbecher mit Wasser und ein Stück Banane begleiten mich des Weges. Den Plastikbecher entsorge ich recht schnell am Streckenrand. Nicht so die Banane, die begleitet mich ab jetzt auf Schritt und Tritt. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mir die Banane geschenkt.

Kilometer 16/17 ist erfahrungsgemäß immer der schwerste Abschnitt meiner Halbmarathons. Auch heute habe ich einen deutlichen Hänger. Wir laufen über die Potsdamer Straße  Richtung Potsdamer Platz. Vor dem „17K“-Schild steht einer  der vielen freiwilligen Helfer und schreit. „Nua noch via Kilometa, denn habt ihr et jeschafft. Denn seidta daheeme!“  So sind die Berliner, vom Grunde auf eher maulig, aber wenn sie sich für etwas begeistern sind sie mit ganzem Herz und voller Seele bei der Sache. Ich liebe sie einfach, die Berliner.

Endspurt

Wir laufen weiter, sind ja auch nur noch „via Kilometa“. Mein Schritt wird immer schwerer und am „Checkpoint Charlie“ muss ich richtig arbeiten. Ich komme mir vor, wie in einem meiner Kinderträume, in dem ich mit voller Kraft laufe, aber trotzdem nicht vom Fleck komme. Kilometer 19 ist mein wahrgewordener Albtraum. Und die Banane meldet sich auch immer wieder zu Wort. Es geht über den Spittelmarkt und die Gertraudenstrasse. Hier haben die Zuschauer eine Art Korridor gebildet, durch die wir Läufer wie bei der Tour de France von den Zuschauern lauthals durchgepeitscht werden.  Das lenkt mich ab von meinem innerlichen Drama und ich mobilisiere neue Kräfte. Es geht am Alexa vorbei auf die letzten paar hundert Meter. Hier am Alexa wollen Thomas und Renate auf mich warten. Ich halte Ausschau nach den beiden, kann sie aber in den Menschenmassen nicht sehen. Egal, ich werde sie später finden nachdem ich die Ziellinie überquert und meine Medaille um den Hals hängen habe.  Noch einmal rechts um die Ecke und da ist das Ziel auf der Karl-Marx-Allee. Vor zwei Stunden bin ich in entgegengesetzte Richtung gestartet. Vor vier Monate habe ich mit den Vorbereitungen zu diesem Lauf begonnen, und vor  12 Monaten habe ich mich für den heutigen Lauf angemeldet. Die Uhr stoppt bei 2:05:33. Damit bin ich hochzufrieden. So schnell bin ich seit meiner Bestzeit im Jahre 2012 nicht mehr gelaufen. Ich trabe langsam in den Zielbereich. Eine freundliche Berlinerin hängt mir meine Medaille um den Hals und sagt: „Glückwunsch, Katja det haste jut jemacht.“ Ich bin den Tränen nahe weil ich mich so freue und auch ein bisschen traurig, weil es jetzt schon wieder vorbei ist.

Jeschafft…

36.000 Teilnehmer aus 110 Nationen. Friedliche, freundliche und begeisterte Menschen, die zwar nicht alle die gleiche Sprache sprechen aber alle im Laufen miteinander vereint sind. Unendlich viele freiwillige Helfer die uns mit Herz und Seele unterstützt haben. Egal ob es die Mädels auf der Messe waren, die uns die Armbändchen angelegt haben, die Frauen die auf unsere Kleiderbeutel aufgepassten. Die Männer, die uns alle Fragen beantwortet und jeden Weg gewiesen haben, die Ordner die die Strecke für uns absicherten, die Masseure die sich um unsere müden Beine im Ziel gekümmert haben (um nur einige zu nennen).
Das Berliner Publikum, dass wir begeistert haben und das uns begeistert und angefeuert hat. Die vielen Bands und Musiker die einen Teil von sich an diesem Tag eingebracht und uns unterhalten haben. Ihr habt uns Läufern mit Eurer Begeisterung und Eurem Spirit so viel Energie gegeben. Jeder Einzelne, auch die Helfer, die hier nicht erwähnt wurden haben mehr als nur eine Medaille verdient. Ihr habt das zusammen auf die Beine gestellt. Ihr seid es, die den Halbmarathon zu diesem Mega-Event machen. Ihr seid anders und ihr seid einzigartig.

Noch ein letztes Wort…

Noch ein letztes Wort zu dem „vereitelten Terroranschlag“:
Keiner der „mutmaßlichen Attentäter“ war an der Strecke. Ich kann für mich sagen, dass ich mich zu jedem Zeitpunkt an diesem Wochenende sicher gefühlt habe. Mein Gefühl wurde von der Polizei mit den Worten: „Es bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für Läufer und Zuschauer“ bestätigt. Selbst wenn der Halbmarathon Ziel eines geplanten Anschlags gewesen sein soll, was bis heute nicht bewiesen ist, bin ich traurig über die Berichterstattung eines erfolgreichen und friedlichen Großereignisses. Kaum eine Zeitung, kaum ein überregionaler Fernseh- oder Radiosender hat über die erbrachten Leistungen wie zum Beispiel den neuen Streckenrekord berichtet. Geschweige denn über den zuvor beschriebenen Einsatz der vielen Freiwilligen. Stattdessen wird Angst geschürt was viele Menschen dazu veranlaßt, solche Großveranstaltungen zu meiden.

Ich habe mich entschieden weiter an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Egal ob als Zuschauer, Helfer oder Teilnehmer. Solche Events geben uns die Möglichkeit Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu leben. Bieten Anlass zum Austausch und zum Dialog. Man rückt näher zusammen, teilt sich mit oder wechselt auch mal die Sichtweise. Sie holen uns aus der (teilweise hausgemachten) Isolation. Auch wenn der Terror scheinbar einen festen Platz in unserer heutigen Zeit einnimmt denke ich, es ist wichtig offen und im Dialog zu bleiben.

In diesem Sinne, die Energie folgt der Aufmerksamkeit.

Folge dem Vogel…

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